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Gleichzeitig habe ich ein ganz starkes grünes Gewissen und leider ist Reisen nicht unbedingt die umweltfreundlichste Freizeitbeschäftigung. Besonders das Fliegen kommt in der Umweltdebatte schlecht weg: Ein Flug nach Mallorca produziert schon die Hälfte eures Jahresbudgets an CO².
Ganz aufs Reisen verzichte ich nicht, aber ich habe die Art zu Reisen an diese Tatsachen angepasst. Insgesamt hat das nicht zu weniger, sondern sogar zu mehr Abenteuern geführt, denn wer nicht ins Flugzeug steigt, muss zwangsläufig andere Transportwege nehmen und sich immer wieder aus seiner Komfortzone bewegen.
Jeder Abenteurer sollte mal mit einem Nachtzug gefahren sein
Schon seit Jahren fahre ich in Europa immer wieder mit dem Nachtzug. Ein ganzes Netz aus Nachtzügen verbindet viele europäische Metropolen miteinander. So erreicht man sein Reiseziel quasi im Schlaf.
Zum Beispiel kann man von München aus über Nacht nach Venedig, Rom, Budapest oder Zagreb fahren. Von Karlsruhe aus gibt es sogar einen Zug bis nach Moskau. Von Berlin aus einen Nachtzug nach Stockholm.
Die Züge sehen tatsächlich aus, als kämen sie aus einem anderen Jahrhundert. Neue Nachtzüge werden schon seit langem nicht mehr gebaut, vor allem, weil die Flieger mit ihren Spottpreisen den Nachtzügen fast den Garaus gemacht hätten. Während man für ein Ticket im Nachtzug One Way schnell mal 100 Euro zahlt, werden einem die Billigfliegertickets für 20-30 Euro hinterhergeworfen. Schon deshalb entscheiden sich viele fürs Fliegen.
Nachtzug fahren ist sein Geld mehr als wert
Erstens bekommt man wieder ein Gefühl für die Distanz, die man hinter sich bringt. Zweitens bekommt man mehr für sein Geld, denn die Reise dauert seine Zeit und zwingt einen zur Entschleunigung. Ich finde das schön, denn im Urlaub sollte man sich nicht stressen und stattdessen die vorbeifahrende, sich immer wieder verändernde Landschaft beobachten, ein gutes Buch lesen, oder nebenher einen Podcast hören. Wer sich diese Zeit nimmt, hat schon eine ganz andere Einstellung zu seiner Reise als der Flugzeugtourist.
Drittens hat man die Chance, mit anderen Reisenden ins Gespräch zu kommen. Meiner Meinung nach sind in diesen Zügen die interessanteren Reisenden. Einmal kam ich mit zwei Männern aus der Schweiz ins Gespräch, mit denen ich und meine Reisebegleitung uns das Schlafabteil teilten. Die zwei wohnten in Lausanne am Genfer See und waren auf dem Weg nach Budapest, weil sie dort auf das riesige Musikfestival Sziget gehen würden. Und in einem Nachtzug in Usbekistan teilte ich mein Abteil mit einer russischen Frau, die leider nur wenige Brocken Englisch sprach und sich aber die allergrößte Mühe gab, dass ich mich wohl fühlte, und ihren Kuchen mit mir teilte. Das sind Erinnerungen, die ich im Flugzeug nie gehabt hätte.
Nach Mallorca kann man auch mit Zug und Fähre fahren
Im September reise ich nach Mallorca, wo ich gemeinsam mit meiner Familie auf einer Finca wohnen werde. Auch dorthin werde ich nicht das Flugzeug nehmen, sondern den Zug und die Fähre.
Aus Neugierde habe ich einen befreundeten Umweltberater gebeten, mir mal auszurechnen, welche CO²-Bilanz der Flug im Vergleich zur Zug und Fähre Variante hat. Heraus kam, dass der Flug über 300kg CO² produzieren würde, während meine Reise mit dem Zug und der Fähre nur ca. 30kg CO² produzieren wird. Der Flug ist 10mal so schlimm wie die zweite Variante!
Tatsächlich ist es auch ziemlich einfach, mit Zug und Fähre nach Mallorca zu fahren. Fähren fahren zum Beispiel ab Toulon in Südfrankreich oder ab Barcelona. Beide Städte lassen sich ab Stuttgart innerhalb von 8-10 Stunden mit dem Zug erreichen. Die Fähren fahren meist über Nacht. Insgesamt ist man also innerhalb von 24h an seinem Ziel. An Bord der Fähren kann man zudem richtige Schlafkabinen buchen, sodass man am nächsten Morgen ausgeschlafen und bereit für den Urlaub auf der Insel ankommt.
Zudem könnte man die Fahrt über Barcelona super mit einem verlängerten Aufenthalt in dieser tollen Stadt verbinden und sich gleich auch noch Barcelona anschauen. Wer fliegt, würde niemals erst nach Barcelona fliegen, um danach nach Mallorca weiterzufliegen.
Zugfahren verdeutlicht einem, wohin man eigentlich reist und was es auf dem Weg zu entdecken gibt. Durchs Zugfahren habe ich meinen Kontinent viel besser kennengelernt. Ich weiß jetzt, welche Städte wie miteinander verbunden sind und wo was liegt. Der Weg zum Reiseziel ist nicht mehr länger etwas, dass man so schnell wie möglich hinter sich bringen möchte, weil erst danach der Urlaub beginnt, sondern der Weg wird Teil des Urlaubs. Es ist eine besondere Art des Luxus, sich die Zeit zu nehmen, ganz 24 Stunden bis nach Mallorca zu reisen, dabei Frankreichs Landschaften vom Zugfenster aus zu beobachten, auf dem Schiffsdeck zu stehen, wenn die Fähre ablegt, um am nächsten Morgen auf der Insel anzukommen.
Meiner Meinung nach müssen echte Reisen ein wenig unbequem sein. Wer auf einer Liege am Pool liegt und sich sonnt, der wird dort nichts Großartiges erleben. Wer sich jedoch auf Reisen aus seiner Komfortzone begibt, der wird mit neuen Erkenntnissen und vielen Geschichten zurückkehren.
Man macht ganz andere Erfahrungen, wenn man zu Fuß durch eine Stadt läuft und sich treiben lässt, als wenn man die Stadt ganz bequem in einem Hop On Hop Off Bus besichtigt.
Den kleinen Eisladen in der Gasse mit dem schiefen Kopfsteinpflaster. Die Craft Beer Bar, wo später noch ein Konzert einer lokalen Band stattfindet. Der Gemüseladen, der frische Melonen aus der Region verkauft. Die Straßenmusiker, die in einem Durchgang Jazzmusik spielen. Die Galerie, die lokale Künstler unterstützt und ausstellt. Das kleine Café in einem Innenhof, das den besten Cappuccino meines Lebens servierte. Die junge Schülerin, die uns ansprach, weil sie ihr Englisch üben wollte.
All diese Dinge entdeckt man nur, wenn man zu Fuß unterwegs ist. Wenn abends die Füße qualmen und man eine Blase an der Ferse hat, weiß man, dass sich der Tag gelohnt hat.
Wer aus den richtigen Gründen reisen möchte, hat gar keinen Grund dazu, in die Ferne zu fliegen.
Ich versuche, höchstens einmal im Jahr in ein Flugzeug zu steigen. Deswegen reduzieren sich meine Möglichkeiten, wohin ich reisen kann, ziemlich. Tatsächlich ist das aber nur positiv, weil ich erst dadurch Europa wieder für mich entdeckt habe.
Man lässt sich schnell anstecken von der Instagram-Kultur, die einem einreden will, dass coole Reisen nach Indonesien, Australien, Peru oder sonst wo hin gehen, aber sicher nicht in die Provence. Zusätzlich gibt es für jedes Land eine Liste mit den “Hot Spots”, die man unbedingt gesehen haben sollte. Wer so reist, kommt zurück und hat tolle Fotos für Instagram geschossen, aber hat kaum Berührungspunkte mit der Kultur des Landes gehabt oder hat einfach mal innegehalten, um die Fremdartigkeit richtig in sich aufzusaugen. Dafür war halt keine Zeit.
Gleichzeitig hat man nur wenige Stunden Zugfahrt oder Autofahrt entfernt eine ganze Fülle von Landschaften und Kulturen zu entdecken. Viele meiner Freunde sagen dann: “In Europa kann ich auch noch reisen, wenn ich alt bin.”
Tatsächlich gibt es in Europa aber so viel zu entdecken, dass man sein Leben lang nur in Europa reisen könnte und trotzdem nicht alles entdecken wird. Und auf der ganzen Welt schon erst recht nicht. Daher sollte man sich von Anfang an überlegen, warum man eigentlich reist und ob es dann wirklich Australien sein muss.
Seitdem ich mich wieder mit Europa beschäftige, ist die Liste an Regionen, die ich sehen will, immer länger geworden: Slowenien, die griechischen Inseln, Sardinien, Sizilien, Provence, Dänemark, Finnland, das Baltikum, Albanien, Belgien und Niederlande, Schottland, Andalusien, Moskau und Sankt Petersburg, Nordnorwegen. Damit habe ich schon genügend Reiseziele für die nächsten 10 Jahre und das Beste ist: Alle sind mit Zug oder Auto erreichbar.
Nachhaltige Reisen sind alles andere als langweilig, sie sind das genaue Gegenteil davon. Man reist langsamer, lässt sich mehr Zeit und entdeckt das Reiseziel viel intensiver als jeder Bucket List–Tourist. Man sammelt Geschichten und Erinnerungen, die einem für immer bleiben. Man kommt in Kontakt mit Menschen und deren Kultur.
Insgesamt bringt uns der Umweltgedanke dazu, wieder richtig reisen zu lernen. Und das finde ich wunderbar.
Eure Sarina