Rau, aber traumhaft: die Ostseeküste mit Fischland, Darß und Zingst
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21. Juli 2020Der Harzer-Hexen-Stieg ist ein Prädikatswanderweg im Harz, den wir (mein Mann und ich) als Streckenwanderung über ca. 100 km in 5 Etappen im Sommer 2016 erwandert haben.
Doch viele fragen sich jetzt sicherlich, wie man überhaupt auf die Idee kommt als Nellinger in den Harz zum Wandern zu gehen?
Nun, da gab es mehrere Gründe: Da wir unseren Sommerurlaub an der Ostsee verbringen wollten, suchten wir nach einem Wanderziel, das auf etwa halbem Weg liegt, so dass wir körperlich noch was tun können, bevor der Sand, die Dünen und das relaxte Strandleben Einzug halten. Und da kam der Harz gerade richtig!
Des Weiteren wollten wir mal testen, wie sich so eine Streckenwanderung anfühlt, für die Beine, die Kondition und das Gemüt und der Harzer-Hexen-Stieg hatte dafür genau die richtige Länge. Er diente für uns als Einstieg in weitere Streckenwanderungen wie den Westweg im Schwarzwald und eine Alpenüberquerung.
Und außerdem hat mich – als mit Freundinnen immer wieder den Hexenkessel schürende irgendwie hexenaffine Person – der Name „Harzer-Hexen-Stieg“ einfach begeistert.
Also genügend Gründe, um das Abenteuer zu wagen!
Der Harzer-Hexen-Stieg führt von Osterode in Niedersachsen über den Brocken nach Thale oder Quedlinburg in Sachsen-Anhalt und gilt auch als Symbol für das Zusammenwachsen der alten und neuen Bundesländer.
Er ist als Qualitätswanderweg zertifiziert, wurde von uns von West nach Ost gewandert und hat uns viele interessante Themen kennenlernen lassen, wie zum Beispiel die Bergbautradition und die Wasserwirtschaft in diesem nördlichsten deutschen Mittelgebirge, aber auch die Mythen und Sagengestalten aus dieser wilden, urwüchsigen Natur.
Nun aber zu unseren Etappen und was wir beim Wandern gesehen und erlebt haben.
Nach circa 4–stündiger Autofahrt sind wir in Osterode gelandet, wo wir das Auto stehenließen und am nächsten Tag losgewandert sind. Vielleicht sollte ich hier noch erwähnen, dass wir die gemütliche Variante gewählt haben und zwar individuell aber ohne Gepäck gewandert sind. Wir haben 6 Übernachtungen mit Gepäcktransport und Rücktransfer gebucht, eine ganz tolle Sache, wenn man den Rücken etwas schonen und den Luxus von frischen Socken und T-Shirts jeden Tag genießen möchte.
Unsere 1. Etappe war die längste mit 30 km und 900 Höhenmetern, aber wunderschön, da wir durch das Weltkulturerbe „Oberharzer Wasserregal“ kamen, wo unzählige Teiche, Wassergräben, Bäche und Waal Wege, wie wir sie sonst nur von Südtirol und Madeira kennen, fröhlich vor sich hinplätscherten. Übernachtet haben wir in Altenau, einem alten Bergbaustädtchen. Wir waren nach dem langen ersten Tag sehr froh, dass wir im Hotel essen konnten und keinen Schritt mehr laufen mussten.
Die 2. Etappe führte uns mit 16 km und 560 Höhenmetern in den Nationalpark Harz hinauf zum Nationalpark-Besucherzentrum Torfhaus, wo wir lecker eingekehrt sind und den ersten Blick auf den Brocken erhaschen konnten.
Auf dem Goetheweg ging es durch das Hochmoor über die ehemalige Grenze und zu unserem letzten Anstieg auf den Brocken (1.141 m), wo wir auch übernachtet haben.
Wer die Möglichkeit hierzu hat, sollte das auf jeden Fall tun. Tagsüber ist der Brocken nämlich völlig überlaufen von Wanderern oder denjenigen, die mit der historischen Dampflok herauffahren, doch wenn der letzte Zug gegen 17 Uhr abgefahren ist, die meisten wieder ins Tal gewandert sind, dann zeigt sich der höchste und windigste Berg Norddeutschlands in seiner ganzen rauen, schroffen und mystischen Schönheit.
Bei unserem Abendessen im obersten Stockwerk des Brockenhotels, das nur für die wenigen Übernachtungsgäste geöffnet bleibt, lag die Landschaft unter uns noch vollkommen im Nebel, doch kurz vor Sonnenuntergang brachen die Wolken auf und ein umfassender Rundblick eröffnete sich für uns. Was für ein Schauspiel!
Der Brocken war für uns einer der interessantesten Orte, weil hier einerseits Goethe in seinem Faust die Walpurgisnachtszene auf dem Hexenaltar spielen ließ, er aber andererseits zu DDR Zeiten ein verbotener Ort mit Überwachungsanlagen und für normale Bürger nicht zugänglich war.
Nach fürstlichem Frühstück im Goethesaal auf dem Brocken haben wir etwas geschummelt und unseren Beinen den 11 km langen Abstieg erspart, indem wir die historische Dampflok selbst testeten. Vom Bahnhof Schierke ging dann unsere 3. Etappe recht entspannt auf schönen Waldwegen nach Rübeland.
Die 4. Etappe führte uns relativ eben durch Wiesen und Wälder nach Treseburg, einem kleinen Touristenort, wo wir in einem ehemaligen Schlösschen an dem idyllischen Bode Bach übernachteten.
Die 5. und letzte Etappe trumpfte nochmals auf und ging durch das wunderhübsche Bodetal, einem tiefen Felsental mit Wasserfällen, unzähligen Brücken und bizarren Felsformationen bis nach Thale, dem Endpunkt des Harzer-Hexen-Stiegs, wo wir gegen Mittag nach den letzten 11 km und insgesamt fast 100 km stolz ankamen.
So hatten wir noch genügend Zeit, um mit dem Zug nach Quedlinburg zu fahren und dieses sehr beeindruckende, mittelalterliche Städtchen bei einer Stadtführung kennenzulernen und den besonderen Flair und den Abschluss unserer Wanderung zu genießen.
Am nächsten Morgen wurden wir dann abgeholt und zu unserem Auto zurückgebracht, von wo aus wir gegen Mittag in Richtung Ostsee weiterfahren konnten.
Der Harzer-Hexen-Stieg mit seiner vielfältigen Landschaft und dem sagenumwobenen Brocken ist wirklich zu empfehlen, vor allem für Leute, die urwüchsige Natur lieben, gerne wandern und dem Massentourismus etwas entfliehen wollen.
Inge Schiffner-Stock